Ein Museumsbesuch im „Naturhistorischen Museum Wien“ und die interessante Kulturgeschichte vom 16. bis 21. Jahrhundert von François Walter, die ich da entdeckt habe, haben mich zu diesen Illustrationen über den Umgang mit „Risiko“ inspiriert.
François Walter ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Genf. Schwerpunkte seiner Forschung sind Geschichte der Schweiz, Stadtgeschichte und Umweltgeschichte.
Das interessante Buch „verfolgt das ehrgeizige Ziel, eine Kulturgeschichte der Katastrophen und Risiken zu beschreiben …“. Die Frage des „Warum?“ wird mehrfach gestellt: Warum reagieren wir nicht auf die globale Erwärmung? Warum gibt es den Begriff „Katastrophe“ erst seit kaum 200 Jahren in unserer Sprache?
Wir leben heute, als stünden uns mehrere Welten zur Verfügung. Vom ökologischen Fussabdruck bis zum Risikomanagement, unser Verhalten scheint von „mehreren Welten“ auszugehen. Das ist ein grosser Trugschluss. Wie verlief der Weg von Katastrophe zu Risiko während den letzten hundert Jahren? „Katastrophen“ erzählt über den Scheidepunkt von Mensch und Natur und der Begriff wird dabei vielfältig seziert.
Es findet eine Verschiebung des historischen Betrachter-Standpunktes von „Risiko als drohende Gefahr“, hin zu einer Risikogesellschaft, welche Gefahr als „Spassfaktor“ betrachtet statt.
Zeitgleich mit der Einführung des Begriffs „Katastrophe“ in die deutsche Sprache, also der Scheidung Mensch und Natur zieht ein ganz neuer Begriff in unsere Gesellschaft ein: die Ästhetik der Landschaft.
Die Natur ist zum Artefakt geworden, sie ist selbst produziert.
Der Gegensatz zwischen Natur und Gesellschaft ist ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts, als Natur noch als etwas Externes angesehen wurde. Ende des 20. Jahrhunderts jedoch ist die gänzlich unterworfene und ausgebeutete Natur zum internen Phänomen geworden. … die Kehrseite der vergesellschafteten Natur die Vergesellschaftung der Naturzerstörungen, ihre Verwandlung in soziale, ökonomische und politische Systembedrohungen der hochindustrialisierten Weltgesellschaft.
Wir befinden uns am Ende des Mythos vom Ende der Geschichte, der besagte, dass unsere gänzlich modern gewordene Gesellschaft, ein nicht mehr steigerbares Stadium an Vollendung erreicht hätte.
Die Natur birgt selbst in den Händen der Naturwissenschaftler politisches Potenzial, die, was immer sie auch tun, die Gesellschaft als Ganzes betreffen … Umweltprobleme sind keine Umweltprobleme, sondern durch und durch – in Genese und Folgen – gesellschaftliche Probleme, Probleme des Menschen, seiner Geschichte, seiner Lebensbedingungen, seines Welt- und Wirklichkeitsbezuges, seiner ökonomischen, kulturellen und politischen Verfassung.
eine Frage von Definition und Grenzwerten
Neue Leitbilder sind gefragt, um Wirtschaft und Technik Orientierung vorzugeben: sanfte Technologien, nachhaltige Entwicklung. Wenn man sich auf Normen stützt, um negativen Abweichungen Einhalt zu gebieten, oder sie zu verhindern, wird alles eine Frage von Definition und Grenzwerten: Jede Gesellschaft und jede Epoche hat für Normalität wie für Inakzeptables jeweils andere Massstäbe, wobei das Normale im allgemeinen als natürlich gilt. Wie auch immer, diese Praktiken erinnern in geradezu unheimlicher Weise an die traditionellen mittelalterlichen und vormodernen Vorstellungen, bei denen Frömmigkeits- und Lebensmuster Katalogen schuldhaften und sündigen Verhaltens gegenüberstanden.
Lesetipp:
François Walter
Katastrophen – Eine Kulturgeschichte vom 16. bis ins 21. Jahrhundert
Reclam, Stuttgart 2010. 384 S.
Naturkatastrophen – Erdbeben, Vulkanausbrüche, Fluten, Stürme, Erdrutsche – sind das schlechthin Sinnlose, das dem menschlichen Geist begegnet und immer unfassbar bleibt. Katastrophen haben keine Geschichte. Unwandelbar, unabwendbar, unberechenbar brechen sie durch die ganze Naturgeschichte hindurch über die Menschheit herein und bleiben unbegreiflich. Kann man aus ihnen lernen? Und wenn ja, was?