Im Brockenhaus habe ich ein altes Buch über Honoré Daumier gefunden das mich zu den nachfolgenden Illustrationen inspiriert hat: „Der Künstler und Kämpfer“. Das Buch ist ein Fundus an exzellenten Illustrationen. Er zeigt alles aus dem Leben des Zeichners, der nie Buchhändler werden wollte und sich nie mit bravem Kopieren griechischer Ohren und Nasen zufrieden gab.
Die Kunstkritik liess ihn dafür aber nicht in den Olymp der Durchlauchten (Ingres, Delacroix, Corot) aufsteigen, denn er diente dem damaligen Journalismus „nur“ als Illustrator. Das war in seiner Zeit schon nahezu ein „Verbrechen“. Künstler hatten sich gefälligst dem „l’art our l’art“ zu verschreiben. Doch Daumier verstand sich nicht als Maler, vielmehr als begnadeter Karikaturist seiner Zeit. Seine stetiges Werk für die Tagespresse behinderte die künstlerische Auseinandersetzung in keiner Weise; ganz im Gegenteil.
Illustrationen carlottapen.ch inspired by Honoré Daumier.
In Daumier wuchs die Kunst direkt aus dem Leben heraus und suchte dieses Leben in seiner Ganzheit und Lebendigkeit zu gestalten.
Daumier war nicht nur Künstler, er war vor allem Kämpfer. Er führte seinen Kampf, wo immer er dazu eine Möglichkeit sah. Seine Leidenschaft galt der Freiheit, der Brüderlichkeit und der Gerechtigkeit. Er hat sich für den Menschen mit seinen Rechten und Pflichten engagiert. So galt sein Widerwillen den Mächtigen, der Gewalt, ihren Repräsentanten und Institutionen. Die Waffe war die Lithografie. Seine Fähigkeit lag darin, in grösseren Zusammenhängen zu denken. Nur wer in Zusammenhängen denkt, vermag das „pig picture“ zu sehen. Und das Sehen der Dinge war im Wesentlichen seine Kunst. Ein wahrlich nicht immer einfach Kunst, wenn sie Establishment und Publikum nicht sehen will. Aber genau das ist die grosse Aufgabe: Kunst muss ständig hinterfragen.
Daumier hat seinen Weg aus dieser Krux damit gefunden, dass er sich und seine Person aufs äusserste mit den Zeichnungen verband. Darin sah er einen Weg in der Gesellschaft seinen Standpunkt einzubringen. Daumier’s Karikaturen werden dadurch zu „Seelenschilderungen“.
Das Antlitz ist der Spiegel der Seele, welcher das geistige Wesen des Menschen zum Ausdruck bringt.
Körper, Haltung und Bewegung stehen in den Karikaturen im Dienste der Charakterisierungen. Auch ganz im Geiste Balzac’s suchte er in den Menschen die immer humorvoll hinterfragende Form:
… dass die Hand nicht bloss am Körper hänge, sondern einen Gedanken ausdrücke und fortsetze
und dass es darauf ankomme, diesen zu erfassen und wieder zu geben.
Es scheint, dass Daumier ein früher „Charlie“ war.
Inspiriert von Daumier habe ich eine Reihe von eigenen Karikaturen gezeichnet – traditionell mit Tinte und Parallel-Pen von Pilot (siehe Abb.). Und mit einem zwinkernden Auge hinterfrage ich damit aus aktuellem Anlass auch meine neue berufliche Ernennung als Professorin – sozusagen als „Professoressa Bleistift“. Dankeschön.
Dienen zu können, ohne dabei den Selbstanspruch zu verlieren, das ist die wahre Kunst.