Mit dem Bleistift zu denken ist längst aus der Mode. Die Software hat die Architekturzeichnung abgelöst. Bleistift und Papier mussten Vektor und Pixel das Feld überlassen. Oder vielleicht doch nicht?

Doch auf dem Pfefferberg in Berlin, im sich wandelnden Gebiet des Prenzlauer Bergs schleicht der Geist der Gentrifikation durch die Strassen. Neben trendigen Galerien hat sich da am Ende einer Häuserzeile ein Haus in die Zeile gereiht, das ganz anders ist als jedes andere Haus in Berlin.

Fünfstöckig ist das neue Gebäude des Architekturmuseums. Wie Schubladen liegen die Stockwerke übereinander. Einige Stockwerke sind leicht abgewinkelt und erinnern an alte Planschränke, und deren störrischen Schubladen, die sich verkeilten, wenn man diese nicht absolut im rechten Winkel hinein schob.

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Ritzen im satten Betonguss skizzieren den Inhalt des Museums.

Die Fassade fällt mit ihrem weichen Glanz und seidigen Erscheinen auf. Gelblich eingefärbter Beton lässt an Travertin erinnern. Doch das Muster auf der Fassade entpuppt sich beim näher kommen zu einer ganz neuen Formsprache: Es sind Zeichnungen.

Auf den Schalbrettern sind die Linien als erhabene Teile angebracht worden. Der Beton bildet die Skizzenlinien dann als Furchen ab. Beim zweiten Blick wird ersichtlich, dass es sich um eine Skizze klassischer Rundbögen handeln muss, die als Vorlage der Fassadenstruktur gedient hat.

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Säulen, Kapitelle und eine ständige Wiederholung des Motivs bilden die neue Zeichnung auf der Fassade. Fein und scharf sind die Kanten, so dass das Sonnenlicht eine klare Zeichnung in die Fassade reisst. Die Farbe erinnert an Pergament oder „Chamois“, also der Normalfarbe eines Zeichenpapiers.

Die leicht überkragenden Kanten der einzelnen Stockwerke eröffnen dem Betrachter den Blick auf die Unterseite eines Volumens. Und mit diesem kleinen Verrucken der Stockwerke wird es möglich, die ganze Grösse und Masse des Gebäudes zu erfahren: schön gemacht!

Diesen Gedanken der „verrückten“ Etagen lässt meine Ideen fliessen. Und es wird mir plötzlich klar, dass wenn ich statt der Normalsicht auf ein Gebäude, plötzlich die Untersicht auf die Bodenfläche habe, dass sich dann das Volumen und die Mächtigkeit des Baus viel klarer erfahren lässt.

Schwere Türen führen in die dunklen kubischen Räume. Pareterre ist der mit riesigen gezeichneten Holzpanelen ausstaffierte Eingangsbereich mit dem Museumsshop. Auffällig sind auch die vieleckigen Fensterformen, die sich erst als Rätsel präsentieren, dann aber in Bezug zu den ins Holz eingefrästen Wandskizzen verständlich werden: Sie nehmen die Inhalte dieser Linien auf.

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Die Ausstellungsräume sind schwer, dunkel und bieten den für Papierarbeiten gewohnten Schutz vor Tageslicht: wunderbar fein erscheinen die Blätter dagegen. Das durch Glas dominierte Treppenhaus und die lichten Glasräume kontrastieren.

Schön, dass die alte Tradition, dass der Sammler für seine Werke ein Museum baut wieder belebt wurde. Wunderbar, dass die alte Tradition der Architekturzeichnung auch im digitalen Zeitalter mit dem Bleistift zu Denken nun ein Zuhause hat: das Tchoban Museum für Architekturzeichnung in Berlin.

http://www.tchoban-foundation.de/

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